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„Neue Linien, dichtere Takte, größere Fahrzeuge“

Der HVV präsentierte, zusammen mit Verkehrssenator Frank Horch und Staatsrat Andreas Riekhof, die umfangreichen Leistungsausweitungen zum kommenden Fahrplanwechsel am 09.12.2012. Die meisten Anpassungen stehen bereits hier im Blog, Änderungen ergeben sich nur in einigen Details. Wichtigste: Die neue Hafenrandlinie hört nicht mehr auf die Arbeitsbezeichnung „Stadtbuslinie 212“, sondern wird als 111 in den Fahrgastbetrieb gehen.

Im Folgenden sei aus der HVV-Pressemitteilung großzügig zitiert, da steht alles wunderbar ausformuliert:

Die wichtigsten Neuerungen ab 9. Dezember sind:

U-Bahnlinie U 4

Die U-Bahnlinie U4 nimmt ihren Betrieb auf und verkehrt zwischen den Haltestellen Billstedt und Hafencity im 10-Minuten-Takt. Bis zur Haltestelle U Jungfernstieg fährt die neue U4 auf der gleichen Strecke wie die U2 und erhöht auf diesem Abschnitt die Kapazitäten.

Gleichzeitig wird in der Hafencity das Busangebot angepasst:

Stadtbuslinie 111

Die neue Linie 111 verkehrt als „Hafenrandlinie“ im 20-Minuten-Takt ab Bahnhof Altona über die Haltestellen Große Elbstraße, Reeperbahn und St. Pauli-Landungsbrücken bis zur Haltestelle U Überseequartier. Damit wird die Große Elbstraße mit dem zweiten Fährterminal und den neuen Gewerbeansiedlungen deutlich besser bedient. Außerdem werden mit der neuen Linie 111 auch die Wohngebiete im Bereich Pepermölenbek sowie die neu entstandenen Wohn- und Geschäftsbereiche in der Davidstraße und in der Bernhard-Nocht-Straße angebunden und erhalten somit eine direkte Anbindung in die Hafencity.

Metrobuslinie 6

In Ergänzung zur U4 ändert sich die Linienführung der Metrobuslinie 6 und erschließt ab 9. Dezember mit rund der Hälfte der Fahrten die Speicherstadt. Die andere Hälfte der Fahrten führt die Linie 6 künftig ab Rathausmarkt außerdem auf einen neuen Linienast über die Haltestellen U Rödingsmarkt, Michaeliskirche (Ludwig-Erhardt-Straße) und U St. Pauli bis zur U Feldstraße. Darüber hinaus ist in der Budapester Straße in Höhe Paulinenstraße eine neue, gleichnamige Haltestelle vorgesehen.

Metrobuslinie 3

Künftig wird die Metrobuslinie 3 nicht mehr in die Hafencity, sondern vom Rathausmarkt über die Mönckebergstraße und die Amsinckstraße bis nach Rothenburgsort führen. Bis zur Endhaltestelle Kraftwerk Tiefstack wird diese neue Route im 10-Minuten-Takt mit Gelenkbussen bedient. Damit erhält der Stadtteil Rothenburgsort eine deutlich verbesserte direkte Anbindung an die Mönckebergstraße und den Rathausmarkt.

Stadtbuslinie 112

Die Stadtbuslinie 112 wird ab 9. Dezember über die Nordkanalstraße / Spaldingstraße, Albertstraße und die nördliche Hammerbrookstraße verschwenkt. Damit werden die dortigen Bürostandorte und Gewerbeansiedlungen besser angebunden.

Maßnahmenpaket „Harburger Hafen“

Der Harburger Hafen entwickelt sich durch die Ansiedlung neuer Firmen sowie der Außenstellen der TU Harburg zu einem Dienstleistungszentrum. Darüber hinaus ist auf dem ehemaligen Bahngelände westlich der Hannoverschen Straße umfangreicher Wohnungsbau geplant. Daher wird die Anbindung des Harburger Hafens zum Fahrplanwechsel neu gestaltet.

Auf der Stadtbuslinie 142 wird zwischen Heimfeld und Bahnhof Harburg der bisherige 6-Minuten-Takt auf einen 5-Minuten-Takt verdichtet. Außerdem wird die Linie mit einem 20-Minuten-Takt zum Harburger Hafen verlängert.

Daraus ergeben sich weitere Anpassungen auf den Harburger Linien 145, 153 und 154.

Fährlinien

Um den steigenden Fahrgastzahlen in der Fährschiffahrt gerecht zu werden und um die Elbinsel Wilhelmsburg anzubinden, gibt es bei den Fährlinien folgende Neuerungen:

 Fährlinie 72

Mit der neuen Linie 72 von den Landungsbrücken bis zur Elbphilharmonie erhält die Hafencity eine weitere Anbindung an die Hafenfähren. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Elbphilharmonie wird der Anleger Sandtorhöft aufgegeben. Die Linie 72 verkehrt im 30-Minuten-Takt.

 Fährlinie 73

Auf der Schiffslinie 73 wird der neue Anleger „Ernst-August-Schleuse“ in Wilhelmsburg im 40-Minuten-Takt bedient, zunächst nur montags bis freitags. Damit ist Wilhelmsburg künftig auch von der Wasserseite her an den öffentlichen Nahverkehr angebunden.

Fährlinie 62

Mit Inbetriebnahme der neuen Linie 72 wird die Linie 62 künftig an der Endhaltestelle St. Pauli/Landungsbrücken halten und alle Fahrgäste aussteigen lassen. Ab dem Anleger Landungsbrücken fährt die Linie 62 unter Bedienung der bekannten Haltestellen wie bisher nach Finkenwerder und endet danach wieder an den Landungsbrücken.

Ungefähr 8 Millionen Euro soll das Paket jährlich kosten. Weitere Taktverdichtungen sind auf „vielen Linien“ und Einsatz größerer Fahrzeuge vorgesehen. Man will rechtzeitig vor dem Fahrplanwechsel detailliert informieren.

Unter anderem folgende Änderungen sind wahrscheinlich:

  • Fahrplanabstimmung der Linienpaare 7/172 und 177/277 in gemeinsamen Abschnitten.
  • Auf der 275 vormittags Verdichtung von 20 auf 10 Minuten.
  • Zur IGA soll die Metrobuslinie 13 bis abends alle 5 Minuten verkehren.
  • Metrobuslinien 20 und 25: langfristige Umstellung auf Gelenkbusbetrieb an Samstagen & Sonntagen, Realisierung zeitlich gestaffelt.
  • Stadtbuslinie 112: zusätzliche Verstärkerfahrten, verlängerte Betriebszeit, Änderungen am Linienweg.

Busbeschleunigungsprogramm

Für das Busbeschleunigungsprogramm wurde eine umfangreiche Homepage ins Netz gestellt. Unter www.via-bus.de werden die einzelnen Maßnahmen erläutert und Hintergrundwissen vermittelt. ♦

Setzen, sechs.

Gelegentlich gibt es von der schreibenden Zunft dann doch interessante Beiträge: Die „Welt am Sonntag“ lud SPD-Umweltsenatorin Jutta Blankau und BUND-Chef Manfred Braasch zum Streitgespräch. Wie sollen die selbstgesteckten Klimaziele erreicht werden? Was soll gegen die Luftverschmutzung getan werden, wo Hamburg seit Jahren die EU-Grenzwerte nicht einhält? Heraus kommt vor allem heiße Luft der Umweltsenatorin.

Da der öffentliche Personennahverkehr ein wichtiger Baustein auch der Umweltpolitik ist, und darüber hinaus die Aussagen der Umweltsenatorin exemplarisch wunderschön zeigen, dass die politisch Handelnden herumlavieren und im Pudding herumstochern, folgend einige kommentierte Zitate.

„Ist Umweltpolitik der SPD nicht so wichtig“, fragt die Welt und bekommt solche sensationellen Aussagen aufgetischt:

Jutta Blankau: Dieser Eindruck ist falsch. Wir führen gerade die Umwelthauptstadt-Dialoge mit den Bürgern. Wir haben das Programm „Mein Baum, meine Stadt“ gestartet, bei dem die Bürger Geld für einen Baum am Standort ihrer Wahl spenden können und die Stadt die zweite Hälfte drauflegt. Wir arbeiten an einem Bündnis mit der Wohnungswirtschaft, in dem wir auch klimapolitische Ziele festschreiben wollen. Wir forcieren die Mülltrennung. Und wir haben gerade zwei Naturschutzgebiete flächenmäßig verdoppelt.

Wow, ich fasse zusammen: Man plaudert mit den Bürgern, pflanzt ein paar Bäumchen (bezahlt aber nur die Hälfte), plaudert mit der Wohnungswirtschaft und „forciert“ die Mülltrennung. Die Sache mit den Naturschutzgebieten ist natürlich wunderbar, wird aber die Luft in der Stadt auch nicht großartig verbessern.

Deswegen kann ich die Kritik nicht verstehen.

Womöglich meint sie das sogar ernst.

Hamburg wird bekanntlich von vielen Schiffen angelaufen, und damit die im Hafen ihren stinkenden Diesel nicht die ganze Zeit laufenlassen müssen, um Strom zu produzieren, soll die Energie vom Land aus kommen („Landstromanbindung“). Wie steht es darum?

Bei den Kreuzfahrtschiffen werden wir demnächst etwas tun.

Äh, ja. Immerhin:

Wir prüfen derzeit, welche Lösung optimal und finanzierbar ist.

… und wenn wir nicht gestorben sind, dann prüfen wir noch morgen.

Die „Welt am Sonntag“ fragt, ob „Umweltpolitik ein Luxus“ sei, „die man sich nur in guten Zeiten leisten kann?“ – zur Erinnerung: Derzeit sind die wirtschaftlichen Daten sehr gut. Nein, aber irgendwie doch, findet die Senatorin, denn:

Es geht um ökologische Nachhaltigkeit, um ökonomische also auch finanzpolitische, und es geht um soziale Nachhaltigkeit. Und was die Stadtbahn angeht, so ist diese derzeit einfach nicht bezahlbar. Sie ist ökonomisch nicht nachhaltig.

Sie ist ökonomisch nicht nachhaltig? Sind es den U-, S- oder A-Bahn, so rein wirtschaftlich gesehen? Oder gar der Busverkehr? Ist der Autoverkehr „ökonomisch nachhaltig“?

Natürlich ist es rührend, wenn Umweltsenatorin Blankau die Ökonomie in den Vordergrund stellt. Vielleicht erklärt ihr aber jemand, dass sie für die Ökologie zuständig ist.

BUND-Mann Braasch kontert, das 130 europäische Städte Stadtbahnen eingeführt oder ausgebaut hätten (können die alle nicht rechnen?) und Hamburg überdies unter großem Verkehrslärm zu leiden hat, wo eine leise Stadtbahn segensreich wäre. Dann führt Braasch aus, das eine CityMaut – siehe London oder Stockholm – nebst einer intelligenten Steuerung den innerstädtischen Verkehr entlasten würde, was wiederum dem Wirtschaftsverkehr zugutekäme.

Blankau antwortet darauf mit bahnbrechender Kompetenz:

Das werden wir sehen.

Äh, ja. Immerhin:

Was den Lärm angeht: Wir arbeiten mit Hochdruck an einem Lärmaktionsplan, der Anfang 2012 vorgelegt werden soll.

Die Spannung steigt, was dieser „Lärmaktionsplan“ beinhalten wird, wenn bereits im Vorfeld alle Maßnahmen, die den Lärm effektiv senken könnten, ausgeschlossen werden.

Dann rechnet Braasch vor, das die gesteckten Klimaschutzziele – darunter bis 2012 zwei Millionen Tonnen CO² einzusparen – nicht erreicht werden könnten. Kein Problem für die Umweltsenatorin, denn:

Das war aber nicht unser Beschluss.

Äh, ja. Immerhin:

Wir arbeiten derzeit an einem Aktionsplan, den werden wir im kommenden Jahr vorlegen

Super. So viele „Aktions“-Pläne gaukeln hektische Betriebsamkeit vor. Nachhaltige Konzepte scheinen nicht dem Geschmack des SPD-Senats zu entsprechen.

Nach einigen weiterem Geplänkel fragt die „Welt“ welche Schulnote im Vergleich zu anderen Städten angebracht wäre. Die Umweltsenatorin beweist Humor :

Blankau: Eine Zwei plus.

Setzen, sechs. ♦

Leserumfrage: Neue Regierung, neues Konzept

Mit der neuen Hamburger Regierung ändert sich nicht nur die Struktur – der Verkehr wurde von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt (BSU) zum Wirtschaftsressort verlagert – sondern auch die grundsätzliche Ausrichtung zur Zukunft des Nahverkehrs. In Hamburg regiert keine Koalition aus mindestens zwei Parteien, sondern ungewöhnlicherweise nur die SPD; der Wirtschaftssenator ist jedoch parteilos und kommt aus der Handelskammer.

Inzwischen haben alle Senatorin(en) ihre Häuser bezogen und sich ein wenig eingelebt; der Erste Bürgermeister verkündete seine erste Regierungserklärung und jede Menge öffentliche Äußerungen gab es.

Der neue Wirtschaftssenator Frank Horch, Jahrgang 1948, seit gestern in Personalunion auch HOCHBAHN-Aufsichtsratvorsitzender, laut Pressemitteilung nach seiner Ernennung:

Hamburg als dynamische, wachsende Metropole braucht Mobilität. Das stellt
hohe Anforderungen an den Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Die HOCHBAHN ist hier ein wichtiger Partner, um diese Herausforderung anzugehen.

Sozusagen als erste Amtshandlung wurde der – für knapp 8 Millionen Euro – fertig geplante Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, die Stadtbahn von Bramfeld über Steilshoop und CityNord nach U Kellinghusenstraße, eingeäschert.

Das Konzept für die nächsten Jahre wurde vom Ersten Bürgermeister, Olaf Scholz, SPD, skizziert [PDF, S.18], kurz zusammengefasst:

  • Errichtung eines noch ggf. zu entwickelnden, „modernsten Bussystem“ in Europa, für den innerstädtischen Verkehr. Steigerung der Kapazität um über 30 %.
  • Ab 2020 ausschließliche Anschaffung emissionsfreier Busse.
  • Sehr wahrscheinliche Fortführung der U4 bis zu den Elbbrücken, jedoch aus Kostengründen vermutlich keine Verknüpfung mit der dort auch fahrenden S-Bahn.
  • Bis 2020 barrierefreier Ausbau von 20 U-Bahn-Stationen.
  • Anvisierter Bau der S4, Hamburg will sich für diese „einsetzen“, eine tatsächliche Einführung ist nicht versprochen.

Die Umfrage läuft bis 01.06.2010 und ist, wie alle derartigen Umfragen, nicht repräsentativ, sondern gibt die ungefähre Meinung der hiesigen Leser wider. ♦

Suche nach dem Schuldigen

Viele in der SPD halten die Stadtbahn für eine ausgezeichnete Idee, den Nahverkehr – der bekanntlich auch eine soziale Funktion hat, nicht jeder kann sich ein Auto leisten – effektiv und verhältnismäßig günstig auszubauen. Primär geht es um eine Steigerung der Kapazität. Das Verkehrsmittel Bus stößt an seine natürlichen Grenzen.

So war dann auch die SPD-Bürgerschaftsfraktion für die Stadtbahn, mit einigem murren bezüglich der Streckenführung. Muss man allerdings nicht ernst nehmen, da die Oppositionsfraktion stets etwas murren muss, wenn es um eine Entscheidung der Regierung geht. Und die war halt Schwarz-Grün.

Von den herausragenden, aktiven Politikern der SPD hat sich lediglich Olaf Scholz gegen die Einführung der Stadtbahn ausgesprochen. Anfangs versuchte die SPD, ihn zurückzupfeifen; als die Regierung jedoch ihre Mehrheit verlor und die Sozis Scholz zum Spitzenkandidaten kürten, zurrte man das Nein zur Stadtbahn im Wahlprogramm fest.

Gefruchtet hat dies offenbar wenig, denn eine Umfrage unter den Bürgerschaftsabgeordneten ergab im März 2011 eine Mehrheit für die Stadtbahn.

Während die SPD-Abgeordneten überraschend sachlich ihre Meinung bildeten, griff Scholz die Meinung der Bürger auf. In Anbetracht der Unkenntnis über die Sachlage war und ist diese auf Anti-Stadtbahn-Kurs. Man mag natürlich kritisieren, dass Scholz aus sachfremden, vielleicht auch Anbiederungsgründen, sich gegen die Meinung seiner eigenen Partei wendete und sich schließlich durchsetzte. Jedoch ist es in einer Demokratie eine logische Selbstverständlichkeit, das zu fordern, was die Mehrheit der Bürger will, sofern es die Demokratie als solches nicht aushebelt.

Olaf Scholz hat die Bürgerschaftswahlen mit dem SPD-Wahlprogramm und lokalen Themen herausragend gewonnen. Die Bundespolitik spielte keine Rolle. Gewiss nicht ausschließlich aufgrund des Nein zur Stadtbahn; Verkehrspolitik ist immer nur ein krümmelchen in der Landespolitik. Viele andere Dinge (Sozial- und Bildungspolitik, Wohnungsbau, vor allem aber das Thema Wirtschaft und Haushaltskonsolidierung) darf als ausschlaggebend betrachtet werden; die Stadtbahn ist nur ein Thema unter vielen. Geschadet wird es aber nicht haben.

Wer hat Schuld?

Nachdem das Aus – zumindest bis auf weiteres – feststeht und die Wunden geleckt sind, muss für dieses Desaster ein Schuldiger her. Hier kommt es ganz auf den politisch-persönlichen Standort an.

Kann man die Grünen von Haus aus nicht leiden, gilt es die GAL mit faulen Eiern zu bewerfen; die ihrerseits zeigen schmollend mit dem Finger auf die Schwarzen. Und die SPD hat noch nie etwas von Nahverkehrspolitik verstanden, schließlich habe diese vor über 30 Jahren die alte Straßenbahn schachmatt gelegt. Die FDP wiederum ist stets gegen alles, was irgendwie nach SPD oder GAL oder beiden riecht. (Ausgenommen neuerdings die Atompolitik; hier bedurfte es ein Tagelanges hochgehen von Kernreaktorgebäuden, die wie Knallbonbons in die Luft flogen.)

Es bleibt also ziemlich müßig bis sinnlos, hier politisch jemanden zu finden, an dem man Dampf ablassen kann. Mit Dreck um sich zu werfen und politisch handelnde zu verunglimpfen mag  noch so verführerisch sein, zielführend ist es nicht. Zumal alle Beteiligten sich nicht gerade mit Ruhm bekleckerten, gleich, welches Parteibuch sie im Regal stehen haben.

Politische Parteien – und damit Politiker – tun nun einmal das, was in einer Demokratie ihre Aufgabe ist: Mehrheiten organisieren, respektive zu vertreten. Nur so erreichen Parteien, dass genügend Bürger das Kreuzchen an der richtigen Stelle machen.

Ungünstige Rahmenbedingungen

Eine ehrliche Analyse kostet viel Zeit und Gehirnschmalz, denn die Rahmenbedingungen sind zu berücksichtigen. In ein paar Schlagworten: Wirtschaftskrise(n), Haushaltslöcher, Sparmaßnahmen, Erhöhung allerlei Gebühren, instabile Regierung, autoverliebte Bürger, Kostenexplosion beim Großprojekt Elbphilarmonie sowie allgemeine (emotionalisierte) Abneigung gegen jede Art von Großprojekten – und mittendrin die Investition Stadtbahn.

Der pappte die hiesige Presse auch noch das Etikett „Grünes Prestigeprojekt“ an, was suggeriert, dass die ganze Idee verzichtbarer Luxus sei, den man eigentlich nicht bräuchte. Immerhin, die auf Papier schreibende Zunft hat bewiesen, dass sie auch im Internetzeitalter noch kampagnenfähig ist.

Die erkennbar einseitige und ablehnende Berichterstattung der Hamburger Medien hat offenkundig zu einer ebenso ablehnenden Haltung vieler Bürger geführt.

Wie geht es weiter?

Beobachter der Hamburger Nahverkehrspolitik dürften nach all den Jahren inzwischen ziemlich abgehärtet sein, der Frust wird hoffentlich schnell verfliegen. Ist schließlich nicht das erste Mal, das der Ausbau des innerstädtischen Nahverkehrs kurz vor Toreschluss mal wieder auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wurde. (Mir tun an dieser Stelle allerdings die Planer sehr leid, die im erstaunlichen Tempo eine durchdachte und detaillierte Arbeit ablieferten. Die wandert nun in den Giftschrank, wo sie bei all den Vorhaben der letzten Jahrzehnte immerhin in allerbester Gesellschaft ist.)

Mag die Stadtbahn einstweilen vom Tisch sein, jede Alternative wird sich an ihr messen lassen müssen. Sowohl was die Leistungsfähigkeit angeht, wie auch die Betriebs- und Investitionskosten. Das kann noch sehr spannend werden.
— Foto: © Nick Herbold / pixelio.de

Mittel zum Zweck

Standpunkt | Eine unbekannte Zahl von Stadtbahngegnern schaltete vor einiger Zeit ihre Internetpräsenz frei, die mit reichlichem Populismus versehen ist. Der Auftritt besteht an sich nur aus einer Seite mit ein paar dürren Argumenten, die weit hergeholt sind. Illustriert wird die Seite mit einem knuffigen Züglein aus den 1970ern, der mit einer modernen Stadtbahn so wenig zutun hat, wie der Teufel mit dem Weihwasser.

Vor allem hängt man sich an der Bezeichnung Stadtbahn auf, diese sei „eigentlich“ eine Straßenbahn. Nun, die Hamburger U-Bahn ist ebenfalls „eigentlich“ eine Straßenbahn, aber lassen wir das. Nervtötend ist der wiederholte, lächerliche Vergleich mit der Elbphilharmonie. Das Opernhaus mit seiner absolut außergewöhnlichen Architektur und einem bis ins kleinste Detail hochgezüchteten Konzertsaal mit einer Stadtbahn (meinetwegen: Straßenbahn) zu vergleichen, war, ist und bleibt peinlich-populistisch.
Aber griffig – und bei Kampagnen kommt es ja darauf an.

Drollig wirkt die Erkenntnis:

Hier passt sich also nicht das Verkehrsmittel an die Gegebenheiten an, sondern die Strecke muss sich an die Fahrzeuge anpassen.

Die Infrastruktur muss sich immer den Fahrzeugen (respektive Fußgänger) anpassen. Zum exakt selben Zweck soll die Elbe tiefer ausgebuddelt werden, damit größere Containerschiffe genug Wasser unterm Kiel haben. Flughäfen mussten und müssen sich ebenfalls auf größere Flugzeuge (A380) baulich vorbereiten, wenn sie denn von solchen Maschinen angeflogen werden wollen. Für Fußgänger werden Bürgersteige gebaut, für Radfahrer entsprechende Wege. Im Prinzip unnötig, der Fußgänger kann sich doch mit entsprechendem Schuhwerk durch den Matsch kämpfen – oder?

Auf Dinge wie überfüllte Busse, steigende Fahrgastzahlen, geringeren Geräuschpegel (für Anwohner), Barrierefreiheit (wichtig für ältere und behinderte Mitbürger), Stadtteilaufwertung, örtliche Emissionsfreiheit und so weiter wird selbstverständlich mit keiner Silbe eingegangen. Ebenso wenig, das man davon ausgeht, dass die Stadtbahn ab einem gewissen Streckennetz kostentechnisch sich selbst trägt.

Hauptargument: die Kosten

Dabei sind es gerade die Kosten, die von den Gegnern in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Sie vergessen dabei – natürlich – zu erwähnen, dass nach der vorliegenden Kalkulation nicht 338 Millionen Euro, sondern – im Falle der Bundesförderung – auf den Hamburger Haushalt 57 Millionen Euro zukommen, die sich über mehrere Jahre verteilen. Inklusive der stellenweise nun wirklich überfälligen Aufwertung der Stadtteile. (Was vor allem den Anwohnern/örtlichen Händlern zugutekommt, was diese hoffentlich im Hinterkopf behalten, wenn sie an die Baumaßnahmen denken.)

57 Millionen Euro sind natürlich trotzdem eine Menge Kohle. Von den Gegnern unterschlagen wird jedoch, das dem Gegenüber auch Einsparungen stehen, namentlich im Busbereich. Diese werden voll wirksam, wenn die Stadtbahn den Bahnhof Altona erreicht.

Wobei die Stadtbahn sicher keine Busfahrer arbeitslos macht, denn zur Gesamtbetrachtung gehören auch die Steigerungen der Fahrgastzahlen. Der HVV verzeichnete die letzten 4 Jahre starke Zuwächse (eigentlich sogar schon die letzten 10 Jahre, 2002 und 2004 gab es jedoch Verbunderweiterungen).

Der Nahverkehr wird – trotz aller Krisen – von immer mehr Hamburgern als Alternative zum eigenen Auto entdeckt. Folglich ist eine Kapazitätsausweitung fällig, um diese wunderbare Entwicklung adäquat befriedigen zu können. Erhöht man gleichzeitig nicht nur die Kapazität, sondern auch die Attraktivität, verstärkt das den Effekt. Mit jedem Bürger, der sich für eine HVV-Monatskarte entscheidet, am besten natürlich im Abo, verbessert sich auch die wirtschaftliche Seite.

Dieses bei der Kostenfrage so wichtige Argument wird von den Stadtbahngegnern mutmaßlich aus purer Absicht unterschlagen, weil es ihnen nicht ins autoverliebte, populistische Konzept passt.

Politisierung des Nahverkehrs

Im Ergebnis lässt sich festhalten, das (diese) Gegner es in erster Linie auf die GAL – ihrem offensichtlichen Hassobjekt – abgesehen haben. Nach der Schulreform soll der GAL noch eins reingewürgt werden, um die Sache scheint es dabei eher weniger zu gehen; die Stadtbahn ist ein Mittel zum Zweck. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die „Argumente“ nicht eher als Schutzbehauptungen einzustufen sind.

Die Politisierung des Nahverkehrs, insbesondere dessen Ausbaus, ist ein grundsätzliches Problem. Anstatt nach Sachverhalten und Verkehrsbedarf zu gehen, werden Nahverkehrsprojekte immer wieder in die ideologischen Gräben heruntergezogen. Dabei geht es hier nicht einmal um eine gesellschaftliche Entscheidung, wie eventuell die Schulreform interpretiert werden konnte, sondern um ein profanes Massenverkehrsmittel, an dem Stadtteilentwicklung mittelbar angedockt ist.

Im politischen Ränkespiel taucht seit einiger Zeit eine kleine Partei auf, die als einziges Thema die Verhinderung der Stadtbahn auf dem Zettel zu haben scheint. Man will in die Bürgerschaft einziehen und für diesen Zweck ist die Stadtbahn ein probates Mittel. Eintönige, vereinfachte Propaganda („Elbphilarmonie auf Schienen“), die nach Schill duftet, soll das bewerkstelligen. Auf Argumente, Meinungsbildung und Konsens ist die Partei nicht aus, sondern schlicht auf Krawall gebürstet. Es geht ums Prinzip: Man ist dagegen, weil die anderen dafür sind – so einfach ist manchmal die politische Welt. Es wird natürlich spannend, ob die Hamburger Wähler schon wieder auf eine Ein-Themen-Partei hereinfallen, wie seinerzeit die Stattpartei und Schillpartei; nicht zu vergessen die FDP mit ihrem Spitzenergebnis bei der letzten Bundeswahl.

Befürworter und Gegner

Langsam aber sicher verhärten sich die Fronten. Auf der einen Seite die Stadtbahnbefürworter, die tapfer versuchen mit Argumenten ans Hirn zu appellieren und auf der anderen Seite die Gegner, die mit Behauptungen und Mutmaßungen eher emotional den Bauch ansprechen.

Aus der Sachfrage zur Einführung einer Stadtbahn wird so zu einer hochemotionalen Debatte aufgeblasen. Gebetsmühlenartig wird von einem „Prestigeprojekt“ gesprochen, dabei ist hier gar kein Prestige zu gewinnen; die Stadtbahn schließt bevölkerungsreiche Stadtteile wie Bramfeld oder Steilshoop an und die sind nun nicht gerade als Touristenattraktionen bekannt. Zudem steht die Stadtbahn gerade der Masse an Bürgern zur Verfügung, jeder mit einem gültigen HVV-Ticket kann sie nutzen. Vom ALG-II-Empfänger bis zum leitenden Angestellten mit ProfiCard – sie ist also nicht für eine exklusive, kleine Oberschicht gedacht.

Und im Städteranking ist mit der Stadtbahn sowieso kein Blumentopf zu gewinnen, eher ein mitleidiges Lächeln – ist die Hansestadt doch unter den großen Städten die Einzige, die auf dieses Verkehrsmittel verzichtet. Dabei ist sie notwendig zur Entwicklung des innerstädtischen Nahverkehrs, gerade mit Blick auf die Investitionskosten. Die oft postulierte Alternative den Busverkehr noch weiter zu verstärken scheint dabei von Leuten zu kommen, die selbigen nicht zur Fortbewegung nutzen.

Interessant ist, das selbst kleine Parteien und sogenannte Bürgerinitiativen eine perfekte Kampagnenfähigkeit entwickelt haben, wo selbst die Profis der „Bild“-Zeitung vor Neid erblassen dürften.

Wie wenig man an einer sachlichen Diskussion interessiert ist, zeigt sich beim Klick auf das Gästebuch, wo der Leser aufgefordert wird:

Hier können Sie alles hereinschreiben, was Sie heute schon an der Stadtbahn nervt.
Nur Mut – Und: Feuer frei!

Pöbeln Sie los – und das Sie bitte schön nicht mit irgendwelchen Argumenten kommen! ♦

“Staatlich geförderten Auto-Abhängigkeit”

Die ersten Zeilen eines sympathischen Kommentars auf SPIEGEL Online:

Je weiter jemand in Deutschland von seinem Arbeitsplatz entfernt wohnt, desto effektiver kann er Steuern sparen. Je verschwenderischer sein Dienstwagen ist, desto günstiger kommt er beim Finanzamt weg. Je öfter er Deutschlands Straßen be- und abnutzt, desto mehr profitiert er davon, dass alle Steuerzahler deren Bau und Unterhalt finanzieren.

Willkommen im Land der staatlich geförderten Auto-Abhängigkeit!

Autor Christian Schwägerl findet, das Autofahrer – anders als Bahn oder die Fluggesellschaften – bei den aktuellen Sparplänen nicht ihren Teil beitragen und wirft der schwarz-gelben Bundesregierung vor, Chancen ungenutzt verstreichen zu lassen.

Lesenswert.
— OR

Autofahrer-Denke

Aus dem lesenswerten SPIEGEL Online-Artikel „Mobilität der Zukunft: Raus aus dem Schlagloch“:

Wenn es an vermeintliche Interessen der Autofahrer geht, kommt aber schnell eine aggressive Stimmung auf, und die Politik gerät sehr grundsätzlich in die Defensive. Ideen, die nicht auf immer mehr Autos hinauslaufen, haben es schwer. Das ist das Ergebnis des großangelegten Laborversuchs Verkehrspolitik, bei dem über Jahrzehnte hinweg fast ausschließlich die Autofahrer-Denke belohnt wurde.

Wer sich als Autofahrer wie ein Versuchsobjekt vorkommt, sollte sich heute vor allem die vielen Reize bewusst machen, die ihn überhaupt hinter das Lenkrad bringen. Wer sich von der Pendlerpauschale in eine Vorortsiedlung locken ließ, will sich nun nicht nachträglich mit einer Maut dafür bestrafen lassen. Wer auf dem Land mit dem Auto viel schneller ans Ziel kommt als mit dem Bus, empfindet eine zusätzliche Autogebühr als Freiheitsbedrohung. Wer meint, dass er ein höheres Sozialprestige verdient, weil ihn eine teure Tonne Metall und Plastik umgibt, tut sich mit Carsharing schwer. […]

Warum bei der Maut nicht klein anfangen? Sofort sinnvoll wäre eine City-Maut für deutsche Metropolen. Auch in Berlin, München und Hamburg ist möglich, was in London und Stockholm wunderbar funktioniert und die Lebensqualität gesteigert hat.

Ein sehr schöner, umfassender und unaufgeregter Bericht, der auch ziemlich mutig ist. Immerhin hat SPIEGEL Online ein eigenes „Auto“-Ressort und Autohersteller sind gute Werbekunden.
— OR