Mittel zum Zweck

Standpunkt | Eine unbekannte Zahl von Stadtbahngegnern schaltete vor einiger Zeit ihre Internetpräsenz frei, die mit reichlichem Populismus versehen ist. Der Auftritt besteht an sich nur aus einer Seite mit ein paar dürren Argumenten, die weit hergeholt sind. Illustriert wird die Seite mit einem knuffigen Züglein aus den 1970ern, der mit einer modernen Stadtbahn so wenig zutun hat, wie der Teufel mit dem Weihwasser.

Vor allem hängt man sich an der Bezeichnung Stadtbahn auf, diese sei „eigentlich“ eine Straßenbahn. Nun, die Hamburger U-Bahn ist ebenfalls „eigentlich“ eine Straßenbahn, aber lassen wir das. Nervtötend ist der wiederholte, lächerliche Vergleich mit der Elbphilharmonie. Das Opernhaus mit seiner absolut außergewöhnlichen Architektur und einem bis ins kleinste Detail hochgezüchteten Konzertsaal mit einer Stadtbahn (meinetwegen: Straßenbahn) zu vergleichen, war, ist und bleibt peinlich-populistisch.
Aber griffig – und bei Kampagnen kommt es ja darauf an.

Drollig wirkt die Erkenntnis:

Hier passt sich also nicht das Verkehrsmittel an die Gegebenheiten an, sondern die Strecke muss sich an die Fahrzeuge anpassen.

Die Infrastruktur muss sich immer den Fahrzeugen (respektive Fußgänger) anpassen. Zum exakt selben Zweck soll die Elbe tiefer ausgebuddelt werden, damit größere Containerschiffe genug Wasser unterm Kiel haben. Flughäfen mussten und müssen sich ebenfalls auf größere Flugzeuge (A380) baulich vorbereiten, wenn sie denn von solchen Maschinen angeflogen werden wollen. Für Fußgänger werden Bürgersteige gebaut, für Radfahrer entsprechende Wege. Im Prinzip unnötig, der Fußgänger kann sich doch mit entsprechendem Schuhwerk durch den Matsch kämpfen – oder?

Auf Dinge wie überfüllte Busse, steigende Fahrgastzahlen, geringeren Geräuschpegel (für Anwohner), Barrierefreiheit (wichtig für ältere und behinderte Mitbürger), Stadtteilaufwertung, örtliche Emissionsfreiheit und so weiter wird selbstverständlich mit keiner Silbe eingegangen. Ebenso wenig, das man davon ausgeht, dass die Stadtbahn ab einem gewissen Streckennetz kostentechnisch sich selbst trägt.

Hauptargument: die Kosten

Dabei sind es gerade die Kosten, die von den Gegnern in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt werden. Sie vergessen dabei – natürlich – zu erwähnen, dass nach der vorliegenden Kalkulation nicht 338 Millionen Euro, sondern – im Falle der Bundesförderung – auf den Hamburger Haushalt 57 Millionen Euro zukommen, die sich über mehrere Jahre verteilen. Inklusive der stellenweise nun wirklich überfälligen Aufwertung der Stadtteile. (Was vor allem den Anwohnern/örtlichen Händlern zugutekommt, was diese hoffentlich im Hinterkopf behalten, wenn sie an die Baumaßnahmen denken.)

57 Millionen Euro sind natürlich trotzdem eine Menge Kohle. Von den Gegnern unterschlagen wird jedoch, das dem Gegenüber auch Einsparungen stehen, namentlich im Busbereich. Diese werden voll wirksam, wenn die Stadtbahn den Bahnhof Altona erreicht.

Wobei die Stadtbahn sicher keine Busfahrer arbeitslos macht, denn zur Gesamtbetrachtung gehören auch die Steigerungen der Fahrgastzahlen. Der HVV verzeichnete die letzten 4 Jahre starke Zuwächse (eigentlich sogar schon die letzten 10 Jahre, 2002 und 2004 gab es jedoch Verbunderweiterungen).

Der Nahverkehr wird – trotz aller Krisen – von immer mehr Hamburgern als Alternative zum eigenen Auto entdeckt. Folglich ist eine Kapazitätsausweitung fällig, um diese wunderbare Entwicklung adäquat befriedigen zu können. Erhöht man gleichzeitig nicht nur die Kapazität, sondern auch die Attraktivität, verstärkt das den Effekt. Mit jedem Bürger, der sich für eine HVV-Monatskarte entscheidet, am besten natürlich im Abo, verbessert sich auch die wirtschaftliche Seite.

Dieses bei der Kostenfrage so wichtige Argument wird von den Stadtbahngegnern mutmaßlich aus purer Absicht unterschlagen, weil es ihnen nicht ins autoverliebte, populistische Konzept passt.

Politisierung des Nahverkehrs

Im Ergebnis lässt sich festhalten, das (diese) Gegner es in erster Linie auf die GAL – ihrem offensichtlichen Hassobjekt – abgesehen haben. Nach der Schulreform soll der GAL noch eins reingewürgt werden, um die Sache scheint es dabei eher weniger zu gehen; die Stadtbahn ist ein Mittel zum Zweck. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die „Argumente“ nicht eher als Schutzbehauptungen einzustufen sind.

Die Politisierung des Nahverkehrs, insbesondere dessen Ausbaus, ist ein grundsätzliches Problem. Anstatt nach Sachverhalten und Verkehrsbedarf zu gehen, werden Nahverkehrsprojekte immer wieder in die ideologischen Gräben heruntergezogen. Dabei geht es hier nicht einmal um eine gesellschaftliche Entscheidung, wie eventuell die Schulreform interpretiert werden konnte, sondern um ein profanes Massenverkehrsmittel, an dem Stadtteilentwicklung mittelbar angedockt ist.

Im politischen Ränkespiel taucht seit einiger Zeit eine kleine Partei auf, die als einziges Thema die Verhinderung der Stadtbahn auf dem Zettel zu haben scheint. Man will in die Bürgerschaft einziehen und für diesen Zweck ist die Stadtbahn ein probates Mittel. Eintönige, vereinfachte Propaganda („Elbphilarmonie auf Schienen“), die nach Schill duftet, soll das bewerkstelligen. Auf Argumente, Meinungsbildung und Konsens ist die Partei nicht aus, sondern schlicht auf Krawall gebürstet. Es geht ums Prinzip: Man ist dagegen, weil die anderen dafür sind – so einfach ist manchmal die politische Welt. Es wird natürlich spannend, ob die Hamburger Wähler schon wieder auf eine Ein-Themen-Partei hereinfallen, wie seinerzeit die Stattpartei und Schillpartei; nicht zu vergessen die FDP mit ihrem Spitzenergebnis bei der letzten Bundeswahl.

Befürworter und Gegner

Langsam aber sicher verhärten sich die Fronten. Auf der einen Seite die Stadtbahnbefürworter, die tapfer versuchen mit Argumenten ans Hirn zu appellieren und auf der anderen Seite die Gegner, die mit Behauptungen und Mutmaßungen eher emotional den Bauch ansprechen.

Aus der Sachfrage zur Einführung einer Stadtbahn wird so zu einer hochemotionalen Debatte aufgeblasen. Gebetsmühlenartig wird von einem „Prestigeprojekt“ gesprochen, dabei ist hier gar kein Prestige zu gewinnen; die Stadtbahn schließt bevölkerungsreiche Stadtteile wie Bramfeld oder Steilshoop an und die sind nun nicht gerade als Touristenattraktionen bekannt. Zudem steht die Stadtbahn gerade der Masse an Bürgern zur Verfügung, jeder mit einem gültigen HVV-Ticket kann sie nutzen. Vom ALG-II-Empfänger bis zum leitenden Angestellten mit ProfiCard – sie ist also nicht für eine exklusive, kleine Oberschicht gedacht.

Und im Städteranking ist mit der Stadtbahn sowieso kein Blumentopf zu gewinnen, eher ein mitleidiges Lächeln – ist die Hansestadt doch unter den großen Städten die Einzige, die auf dieses Verkehrsmittel verzichtet. Dabei ist sie notwendig zur Entwicklung des innerstädtischen Nahverkehrs, gerade mit Blick auf die Investitionskosten. Die oft postulierte Alternative den Busverkehr noch weiter zu verstärken scheint dabei von Leuten zu kommen, die selbigen nicht zur Fortbewegung nutzen.

Interessant ist, das selbst kleine Parteien und sogenannte Bürgerinitiativen eine perfekte Kampagnenfähigkeit entwickelt haben, wo selbst die Profis der „Bild“-Zeitung vor Neid erblassen dürften.

Wie wenig man an einer sachlichen Diskussion interessiert ist, zeigt sich beim Klick auf das Gästebuch, wo der Leser aufgefordert wird:

Hier können Sie alles hereinschreiben, was Sie heute schon an der Stadtbahn nervt.
Nur Mut – Und: Feuer frei!

Pöbeln Sie los – und das Sie bitte schön nicht mit irgendwelchen Argumenten kommen! ♦

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